Wenn Emotionen und Gefühle zu stark werden
In diesem Beitrag liest du folgendes:
- Was sind Emotionen, was sind Gefühle
- Die 4 Phasen bis zur Integration von Emotionen:
- Verdrängen, verleugnen und weiter wie bisher
- Die Emotionen brechen hervor
- Sich den Emotionen stellen und sie aushalten
- Die Integration. In Einklang mit den eigenen Gefühlen
Emotionen
Emotionen sind ein grosser und mächtiger Teil von uns Menschen. Sie bestimmen die Wahrnehmung, das Verhalten, den Umgang mit anderen Menschen und mit Situationen. Sie lassen uns die Welt farbig, lustvoll, motivierend oder unangenehm, verletzend oder bedrohlich erscheinen. Oder sie werden schwach und dumpf oder verschwinden ganz. Sie prägen unser Erleben und unsere Entscheidungen und sie sind Leitfaden für unser Verhalten.
Doch zuerst eine Begriffsklärung:
Was sind Emotionen, was sind Gefühle?
Man kann unterscheiden zwischen Wahrnehmungen, Emotionen und Gefühlen.
- Wahrnehmungen sind Reize aus der Umgebung, die über die Sinne dem Körper zur Verarbeitung zugänglich gemacht werden. Auch Gedanken gehören dazu.
- Emotionen sind die Reaktionen darauf. Sie sind die Sprache aus deinem Inneren die entsteht, wenn die Wahrnehmungen auf deine Persönlichkeit treffen. Sie prägen das unbewusste, unwillkürliche Verhalten.
- Gefühle sind bewusst gewordene Emotionen. Über sie kannst du sprechen, denn sie entstehen durch Beachtung und Anerkennung und damit verbundenen Gedanken, Bewertungen und Erfahrungen. Eine Reflektion darüber ermöglicht Annahme, Verarbeitung und Veränderung von Emotionen und Gefühlen – die Integration. So können bewusste Entscheidungen im Umgang mit ihnen gefällt werden und schlussendlich deine Lebendigkeit spiegeln.
Verdrängen und Überleben
Aber wie kommt man dahin? Wie können ungeliebte, zu heftige und bedrohliche Wellen von Emotionen abklingen, sanfter werden und integriert werden?
Starke, ungeliebte Emotionen können das Überleben bedrohen. Das Überleben der eigenen Wesensart, der Integrität oder der Seele, wenn eine Situation oder ein Lebensabschnitt als zu bedrohlich erlebt wird, um sich ihm ungeschützt präsentieren zu können. Instinktiv schützt man sich. Beispielsweise wenn man sich wehren möchte, es aber unterdrückt, weil einem die Folgen zu bedrohlich erscheinen.
Solche Momente können im Grossen wie im Kleinen Dissoziationen auslösen. Dissoziieren bedeutet in diesem Fall, man verdrängt, will es weghaben, spaltet ab, damit man nicht untergeht und in der Situation überleben und durchhalten kann. Der somit abgekapselte Teil bleibt bestehen und köchelt vor sich hin, bis zum nächsten Auslöser. So lange, bis man wahrnimmt, erkennt, anschaut und annimmt. Dann kann der Teil abklingen und in das gesamte Sein integriert werden. Dies geschieht in vier Phasen.
Phase 1 – Verdrängen, Verleugnen und weiter wie bisher
Erlebst du eine auslösende Situation und die Emotionen die hochkommen sind bedrohlich oder unerwünscht, dann ist die erste Reaktion sie zu unterdrücken. Sie dürfen nicht sein. Vielleicht weil es die Umgebung so will oder weil man selbst es so will. Sie passen nicht in deine oder anderer Menschen Vorstellungen oder würden mehr verändern als erträglich ist. Um auf dem bisherigen Lebensweg weitergehen zu können, müssen sie verschwinden. Es wird mit allen Möglichkeiten und aller bestehenden Macht versucht, die Emotionen und Gefühle zu leugnen, zu kontrollieren und stattdessen weiter zu funktionieren. Z.B., wenn es dir wichtig wäre vor einer Gruppe etwas zu sagen, es aber nicht möglich ist, weil zu starke Nervosität (Angst) dir das Sprechen verunmöglicht. Dies geschieht meist aufgrund eines früheren, prägenden Erlebnisses.
Entsteht in dieser Phase der Wunsch etwas zu verändern, dann heisst das, man möchte ohne Beschwerden leben. Es entspricht dem Wunsch von den Mitmenschen anerkannt zu werden und gut genug zu sein.
Phase 2 – Die Emotionen brechen hervor
Hast du schon mal bemerkt, dass es in gewissen Moment nur einen kleinen Anreiz braucht und die Emotionen schnellen hoch? Dann ist vielleicht der Überdruck im inneren Druckkessel so gross geworden, dass es schwierig ist, den Ausbruch zu kontrollieren.
Diese Phase zeigt, dass etwas unterdrückt wurde und angeschaut werden möchte. Das ist nicht «ich bin halt impulsiv» oder «das ist mein Charakter», sondern der Schrei und die Aufforderung von innen hinzuschauen, bei sich selbst zu schauen.
Es gibt Emotionen die in unserem Umfeld sehr negativ bewertet sind. Wer Wut, Hass, Neid, oder Angst ausdrückt, gilt als schwach, «tiefschwingend» oder gar als schlechter Mensch. Doch wir alle haben sie mehr oder weniger und wenn man dahinter schaut, entdeckt man einen Ursprung und eine Geschichte dieser Emotionen. Das Verstehen dessen hilft, neue Entscheidungen zu treffen und das Annehmen und Aushalten kann eine Veränderung einleiten.
Z.B. Wut ist angestaute Lebensenergie, die ein starker Antrieb sein kann. Man steht nicht für sich ein oder fühlt sich unterdrückt oder nicht gesehen, vielleicht liegt der Ursprung in einer Zeit zu der man keinen bewussten Zugang mehr hat. Hier geht es um das (nicht) Für-Sich-Einstehen können, dürfen oder wollen. Ist der Stau gross genug, kann die Energie genutzt werden, um für sich selbst einzustehen ohne sie auf andere zu projizieren.
Wird der Grund für das Auftreten der Emotion verstanden, ist es möglich, anders über sie zu denken und sie neu zu bewerten. Aus dem Verständnis des Auslösers oder einfach über die Anerkennung als Teil von sich selbst, wird es möglich sie anzunehmen. Und das Verständnis für die Emotion führt zu mehr Verständnis für sich selbst, der Blick auf die Situation verändert sich und die Bereitschaft für das Zulassen von Veränderung wächst.
Eine helfende Hand
Das klingt womöglich einfacher als es ist. Gerade wenn Emotionen hervorbrechen und man sich ohnmächtig oder ausgeliefert fühlt, kann aussenstehende Hilfe unterstützend sein.
Eine kinesiologische Begleitung kann in diesem Moment bei der Bewusstwerdung und dem Umgang damit helfen und die Emotion «balancieren». Auch kann ausgetestet werden, ob ein früheres Erlebnis dabei eine wichtige Rolle spielt oder ob die Emotionen wirklich die Eigenen sind oder solche die man (aus meist unbewusstem Mitgefühl) für andere trägt.
Phase 3 – Sich den Emotionen stellen und sie aushalten
Diese Phase braucht viel Kraft und auch die Entscheidung und den Willen sich selbst anzunehmen, auszuhalten und die Emotionen zuzulassen.
Emotionen sind wie (ungeliebte) Freunde. Sie kommen um einem etwas zu sagen. Ungeliebt, weil sie etwas sagen was man nicht hören will oder weil das was sie sagen die Aufforderung zu anstrengendem Handeln ist. Freunde sind sie, weil sie es schlussendlich gut mit einem meinen und, wenn man genau hinschaut, das Beste für einen wollen. Ein guter Freund wird dir mit wohlwollenden Hilfestellungen so lange «auf die Pelle rücken», bis du dir die Zeit nimmst, aufmerksam und ohne Wertung zuzuhören, bis du die Verantwortung für dich übernimmst. So macht es der Körper immer. Er spricht und wird lauter, bis du hinhörst und die Verantwortung übernimmst.
Ab diesem Punkt gibt es drei Schritte:
- Annahme
- Dankbarkeit
- Mut haben es trotzdem zu tun
Annahme
Die Emotion darf sein. Dies ist die wichtigste Entscheidung die heisst: Ich nehme mich jetzt so an wie ich bin. Mit allen Emotionen die dazu gehören. Wer sollte dich sonst ganz so annehmen, wie du bist, ausser du selbst? Und wenn du alle deine Emotionen annimmst, erlaubst du dir, dich zu sein, dich zu zeigen und damit auch den anderen dich zu sehen.
Dankbarkeit
Mach den Versuch. Schau die Emotion an und bedanke dich bei ihr. Und nun beobachte was sich verändert. Es wird sich unweigerlich ein Schritt zur Annahme einstellen. Man kann nicht gleichzeitig dankbar und ablehnend sein. Dies sind kleine Schritte. Aber bewusst und immer wieder getan, führen sie zu einer Veränderung.
Mut es trotzdem zu tun
Überlege dir, wovon dich die Emotion abhält. Und dann, welchen kleinen Schritt du machen kannst, um trotzdem zu tun was du tun möchtest. Vielleicht hast du Angst davor Nein zu sagen. Dann beginne damit, das Nein bewusst zu bemerken und dich bei dir selbst zu bedanken, dass du dir gegenüber diesen Schritt gemacht hast. Dies nimmt dem Widerstand oder der Kritik gegenüber dir selbst den Wind aus den Segeln.
Kleine Schritte
Mache kleine Schritte und nimm den Verstand zu Hilfe. Wenn du dich hinsetzen, fühlen und aushalten möchtest, muss dies nicht so lange sein, wie die Emotion andauert, sondern du kannst mit ihr eine Abmachung treffen: Sag deiner Emotion, über so und so viele Minuten darfst du sein, mit allen Auswirkungen, ich werde bei dir sein und die Kraft haben alles zu erfühlen. Aber danach musst du mich ruhen lassen. Vielleicht stellst du dafür einen Wecker über die entsprechende Zeit und planst abschliessend etwas Gutes für dich ein.
Es trotzdem zu tun, wenn du z.B. Angst hast, könnte bedeuten, dass du dir zuerst eine Situation nimmst, bei der du nur ein bisschen reagierst und gehe bewusst rein. Erlebe bewusst was geschieht und gib danach deinem Mut Ehrerbietung. Vielleicht musst du dies immer und immer wieder tun. Jedes Mal wird dich einen Schritt weiterbringen und irgendwann wird es möglich, einen Schritt in einen anspruchsvolleren Moment zu machen.
Der Verstand
Überlege dir, was für eine Entscheidung du treffen willst. Willst du der Emotion Macht geben? Oder beginnst du dich ihr zu stellen? Beides hat seine Berechtigung, aber die Schritte aus der Emotion geschehen damit, sich zu stellen. Auch wenn es nur einen Moment lang ist. Schritt für Schritt und mit jeder Erfahrung wirst du ein Stück freier werden.
Es kann Wellen geben und Rückschläge. Zeiten in denen es anstrengend und entmutigend ist und solche in denen dein Mut dir das Gefühl gibt grössere Schritte tun zu können. Manchmal geht mehr und manchmal weniger. Aber bleibe dran und höre nicht auf es zu versuchen, denn es eröffnet sich das lohnendste Ziel: Du. Dich selbst sein dürfen.
Die feste Entscheidung bei dir zu bleiben und richtig zu sein, obwohl das Gefühl etwas anderes sagt, ist ein starker und wichtiger Verbündeter und er ermöglicht dir, immer wieder neue Schritte zu tun.
Reflektieren und Revision
Es ist noch kein Marathonläufer vom Himmel gefallen. Das Üben und Trainieren gehört dazu und zu Beginn mag es nicht möglich sein, anders zu reagieren als man es gewohnt ist. Dann nimm dir danach Zeit und gehe die Situation nochmals durch und überlege dir, was du anders hättest tun können. Dies gibt dir Ideen für das nächste Mal.
Und wenn du magst, nutze die Kraft der Revision, indem du alles nochmals vor dem inneren Auge durchlebst und das Erleben in deiner Vorstellung so veränderst, wie du es dir wünschst. Ändere jedoch nicht die anderen Menschen, sondern deine Reaktionen, Handlungen und Gefühle und erlebe wie sich das anfühlt. Das Hirn unterscheidet nicht zwischen physischem Geschehen und vorgestelltem Ereignis und so gehst du innerlich positiv aus der Vergangenheit und programmierst dich für das nächste Mal um.
Und denke daran: Die wichtigste Entscheidung die du treffen kannst ist die, dich jetzt mit allem anzunehmen was du bist und dich bei dir selbst zu bedanken.
Vertrauen
Und sei versichert, es geschieht nur so viel wie du aushalten kannst. Was dir geschieht entspricht deiner Kraft. Du hast gute Schutzmechanismen und Beschützer die zu dir schauen.
Unterstützung
Vielleicht möchtest Du nicht alleine durch diesen Prozess gehen. Das Annehmen-können ist manchmal verbunden mit Gedanken und Glaubenssätzen die z.B. Selbstzweifel suggerieren. Oder etwas einfach beobachten können das einem Schwierigkeiten bereitet geht leichter mit Begleitung. Oder Du bist froh, die gemachten kleinen Schritte mit jemandem zu reflektieren und sie sanft über den Körper zu integrieren, um das Vertrauen zu stärken.
Phase 4 – Die Integration. Im Einklang mit den eigenen Gefühlen.
Die Integration ist die Akzeptanz und Wertschätzung dessen, was du fühlst, mit dir geschieht und geschehen ist. Es ist die Erfahrung, dass es sich ändern kann und ändern lässt und es ist das Bewusstsein, dass dies nur ein Teil dessen ist was dich ausmacht. Ein Teil deiner Geschichte und deines Wesens und nun gehört auch das Wissen und die Lebenserfahrung dazu, dass du immer besser damit umgehen kannst und dass du Entscheidungen für dein Wohl treffen kannst. Starke Emotionen wie Wut, Traurigkeit oder Schmerz sind vertraute Emotionen geworden, die deine Lebendigkeit ausmachen und nun richtig verstanden werden, so dass du mit ihnen umgehen kannst.
Mit deiner zunehmenden Aufmerksamkeit ihnen gegenüber werden sie leiser und sanfter werden. So wie wenn ein Freund, Partner oder der innere Kritiker intensiv auf dich einredet. Dann höre gut zu und gehe auf ihn ein und du wirst beobachten können wie er leiser wird.
Integration bedeutet auch die Anerkennung, dass, wenn die Emotionen wieder kommen, sie erkannt, anerkannt und sein dürfen. Sie sind Steigbügel für Erfahrungen und Lernschritte und mit der Zeit können sie als Freunde für eine weitere Entwicklung begrüsst und wieder verabschiedet werden. Die Fülle des eigenen Seins wächst.
Menschen die mit schwierigen Konfrontationen leben gelernt haben, werden demütig gegenüber den Lernerfahrungen, dankbar für die ruhigen Zeiten und stolz auf den eigenen Mut.
Dies ist, was ich dir von Herzen wünsche. Damit du mit dir selbst in Frieden, Kraft und Freude dein Leben leben kannst.