Orthorexie - dabei will man doch nur alles richtig machen

Kürzlich an der Salattheke: «Mmh, Falafel-Bowl, fein. Ach nein! Wer weiss, was in den Falafeln alles drin ist. Vielleicht doch lieber der Quinoa-Salat mit Tomaten? Aber der Quinoa ist voller Pestizide und sicher nicht Bio. Vergiss es, ich esse zuhause meine Nostrano-Gurken mit Quark.» Dies ist nicht etwa ein Gespräch zweier Personen, es ist der innere Dialog einer Orthorektikerin. Von der Orthorexie sind Menschen betroffen, die vereinfacht gesagt, krankhaft «gesund» essen. Sie beschäftigen sich übermässig mit der Lebensmittelqualität und vermeiden zwanghaft «Ungesundes». Das kann sowohl psychische als auch physische Folgen haben.

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Orthorexie - dabei will man doch nur alles richtig machen

Wie entsteht Orthorexie?

Meist beginnt alles ganz harmlos: ein Artikel über den gesundheitlichen Nutzen von Superfood, ein Bericht über die Gefahr von Gluten oder eine Freundin, die erzählt wie gut ihre Verdauung durch die Einnahme von Leinsamen funktioniert. Doch die Gedanken zur Ernährung rücken bei Orthorexie-Betroffenen immer mehr in den Fokus. Fragen wie «was darf ich essen und was nicht?» werden zunehmend analysiert. Plötzlich wird die Zutatenliste von Produkten rauf und runter gelesen. Zuerst werden nur ein paar Nahrungsmittel vom Speiseplan gestrichen, dann kommen immer mehr Kriterien in die Waagschale. Am Ende bleibt im Extremfall nur noch eine Handvoll Speisen übrig, die als gesund eingestuft werden. Diese extreme Bewertung von Lebensmitteln entwickelt sich zu einem krankhaften Verhalten. Dabei hat die Einhaltung der eigenen Ernährungsregeln oberste Priorität. Das Gefühl, die «Diät» nicht strikt einhalten zu können, löst Schuldgefühle und Ängste aus. Auch Probleme im sozialen Miteinander sind oft vorprogrammiert. Einladungen zum Essen oder Restaurantbesuche werden von Orthorexie-Betroffenen vermieden.

Ernährungspsychologischer Beratungsansatz

Ob der Umgang mit dem Essen noch verantwortungsbewusst ist oder sich zu einem krankhaften wangsverhalten entwickelt, kann am besten durch die Hilfe einer Fachperson herausgefunden werden. Oft ist der Übergang sehr schleichend. Wer aber frühzeitig seine Essstörung erkennt und behandelt, kann negativ wirkende Verhaltensmuster leichter verändern. In der ernährungspsychologischen Beratung wird die individuelle «Schwarz-Weiss-Liste» der Orthorexie-Betroffenen ganz genau unter die Lupe genommen und unterteilt: Grün bedeutet «das esse ich ohne Bedenken », Orange steht für «das esse ich in Ausnahmen» und Rot steht für «kommt nicht in Frage». Mit dem Ziel wieder Flexibilität beim Essen zu erreichen, wirdversucht, viele Nahrungsmittel von Rot
in Richtung Grün zu verschieben. Hierbei ist Grün keinesfalls gleichzusetzen mit gesund oder Rot mit ungesund. Denn genau diese Einteilung ist die Wurzel des Problems. Vielmehr geht es darum, Ängste und Vorurteile abzubauen. Bei vielen Lebensmitteln müssen Orthorexie-Betroffene die fixe Meinung über dessen Gesundheitswert überprüfen und korrigieren.

Orthorexie - ein Phänomen der modernen Welt?

Die Aufforderung sich gesund zu ernähren oder den Ernährungstrends zu folgen ist in der heutigen Zeit omnipräsent. Vor allem Influencer zeigen ihren Followern oftmals, wie sie ihr Leben dank dem «richtigen» Essen im Griff haben. Besonders junge Frauen können dadurch ein orthorektisches Ernährungsverhalten entwickeln. Sie wollen dazugehören, doch nur alles richtig machen. Viele setzen das strikte Einhalten immer extremer werdender Essregeln mit eiserner Disziplin und Erfolg gleich. Sie verlieren ihre Unabhängigkeit und ernähren sich zunehmend einseitiger. Es ist wichtig kritisch zu hinterfragen, warum einzelne Nahrungsmittel heute oft verherrlicht werden oder Trends entstehen. Denn letztlich ist immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren entscheidend für das physische und psychische Wohlbefinden.

Foto designed by senivpetro / Freepik

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