Phytotherapie: von der Teemischung über Salben bis zu Urtinkturen

Gegen jedes Leid ist ein Kraut gewachsen - daran glauben viele Schweizer, wenn es um die Behandlung von Schmerzen, Allergien und anderen Beschwerden geht. Das Vertrauen in die Heilkräfte von Pflanzen hat seine Gründe: ist die Geschichte der Pflanzenheilkunde, auch Phytotherapie genannt, fast so alt wie die Geschichte der Menschheit selbst. Heute wissen wir ziemlich genau, dass viele pflanzliche Inhaltstoffe auf den Organismus positiv wirken. Noch dazu stillt die Phytotherapie den Wunsch nach einer «sanften» Medizin.

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Phytotherapie

Ursprung der Phytotherapie

Die ersten Spuren der Phytotherapie lassen sich etwa 70‘000 Jahre zurückverfolgen. Die ältesten schriftlichen Aufzeichnungen wurden in China um 3‘700 Jahre v. Chr. verfasst. Etwa 1‘000 Jahre jünger ist das Papyrus Ebers aus Ägypten, eine der ältesten noch erhaltenden Sammlungen pflanzlicher Rezepturen. Auch die Lehren des griechischen Arztes Hippokrates (460-377 v. Chr.) sind wertvolle Wissensquellen für die Phytotherapie. So werden seine Erkenntnisse noch heute in der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde (TEN) angewendet. Weitere prägende Pflanzenkundige und Naturärzte der Vergangenheit waren Galen (129-201), Avicenna (980-1037), Hildegard von Bingen (1098-1179) oder Paracelsus (1493-1541).

Anwendung der Phytotherapie  

Als Phytotherapie wird jede Art von Heilen mit Pflanzen bezeichnet. Dazu gehören Tees, Tinkturen, Verdünnungen, Salben, Cremes, Öle, Medizinalweine, Wickel, Aromabäder, Kräuterkissen oder Räuchermischungen. Die wichtigsten Pflanzenstoffe sind Bitterstoffe, Gerbstoffe, ätherische Öle, Alkaloide, Senföle, Schleimstoffe, Glykoside, Flavonoide, Anthocyane, Cumarine, Salicylate, Arbutin, Harze, Saponine und Anthranoide. Jeder pflanzliche Wirkstoff hat seine spezifischen Einsatzgebiete. Der Bitterstoff zum Beispiel, wirkt angenehm auf den gesamten Verdauungstrakt sowie auf Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse und unterstützt noch dazu das Immunsystem. Der früher oft vernachlässigte Wirkstoff Anthocyan, ein natürlicher Pflanzenfarbstoff, wirkt hingegen zellschützend und krebsverhütend.

Weichen für die Schulmedizin

Was mit den Jahrhunderten zu einem empirischen Wissensschatz heranwuchs, entwickelte sich im 18. und 19. Jahrhundert zu der modernen Medizin, wie wir sie heute kennen. Die pflanzlichen Inhaltsstoffe wurden untersucht, zunehmend isoliert und chemisch hergestellt. Erst seit dem 19. Jahrhundert gelang es, die in den Heilpflanzen enthaltenen Stoffe in reiner Form zu gewinnen. Damit wurden viele hochwirksame Arzneistoffe entdeckt. Zum Beispiel die aus der Weidenrinde gebildete Salicylsäure, ein wichtiger Wirkstoff im Medikament Aspirin. Der bei Herzerkrankungen eingesetzte Wirkstoff Digitalis hat sogar den Namen seines pflanzlichen Ursprunges behalten: Digitalis purpurea, besser bekannt als der Fingerhut.

Ganzheitliche Wirksamkeit

Meist ist es die ganze Pflanze mit all ihren verschiedenen Wirkstoffen, die in der Phytotherapie zum Einsatz kommt. Die Pflanze als Lebewesen, hat sich im Verlauf der Zeit optimal an die verschiedenen Herausforderungen ihrer Umgebung angepasst. In genau richtiger Zusammensetzung der verschiedenen Wirkstoffe, kann sie ihre positiven Eigenschaften auf den Menschen übertragen. So kann zum Beispiel die Schafgarbe, eine der ältesten Heilpflanzen, äusserlich als Umschlag oder Kompresse bei infizierten Wunden helfen. Oder als Tinktur behutsam auf das Verdauungssystem einwirken. Wird die Pflanze geräuchert, entfaltet das Aroma eine entspannende Wirkung. Fast jede Pflanze hat solch eine ganzheitliche Wirksamkeit auf den Ebenen von Körper, Regulation und Psyche. Daher ist die Phytotherapie bis heute eine wertvolle, alternative Therapiemethode, dessen lange Tradition fortgeführt wird.

 

Leserfrage

Lieber Frau Nabi

Ich lebe in einer ländlich geprägten Gegend und sehe häufig den Spitzwegerich bei meinen Wanderungen. Nun frage ich mich, welche Anwendung die Pflanze im Bereich der Naturheilkunde hat? (Roman Burgstätter, 53 Jahre)

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Lieber Herr Burgstätter

Der Spitzwegerich zählt zweifellos zu einer der wichtigsten Arzneipflanzen. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurde das hierzulande weit verbreitete Heilkraut für innere und äussere Beschwerden eingesetzt. Wertvolle Inhaltsstoffe wie Schleime, Gerbstoffe, Kieselsäure oder Flavonoide wirken innerlich als Frischpflanzenpresssaft, Tee, Sirup, Pastille oder Tinktur bei Bronchitis, Husten, Asthma und Entzündungen des Mund- und Rachenraumes. Äusserlich als Umschläge, eignen sich die Blätter des Spitzwegerichs bei Hautverletzungen, Insektenstichen, juckenden Hautallergien, Urtikaria, leichten Verbrennungen oder Sonnenbrand. Nicht umsonst ist der Spitzwegerich zur Arzneipflanze des Jahres 2014 gekürt worden. Wenn Sie das nächste Mal die widerstandsfähige Wildpflanze bei Ihren Wanderungen entdecken, achten Sie einmal darauf, wo genau der Spitzwegerich wächst: der Name "Wegerich" leitet sich aus dem Althochdeutschen ab und bedeutet so viel wie "Wegelagerer". Tatsächlich wächst die Pflanze hauptsächlich an Strassen- und an Wegrändern.

 

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